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Scheinselbstständig: Wie brisant ist Scheinselbstständigkeit wirklich?

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Wenn Selbständige miteinander kooperieren, besteht immer das Risiko, dass der Auftragnehmer bei der nächsten sozialversicherungsrechtlichen Betriebsprüfung als Scheinselbständiger eingestuft wird. Aber ist das wirklich schlimm? Und was droht dem Auftraggeber?

Überschaubare Konsequenzen für den Auftragnehmer

Wenn Sie selbst scheinselbstständig sind, können Sie den Baldrian im Nachtkästchen lassen. Einem Unternehmer, der eigentlichen Arbeitnehmer ist, drohen nur überschaubare Konsequenzen und die sind noch nicht einmal alle zwingend von Nachteil.

Sobald die sozialrechtliche Scheinselbständigkeit eines Beschäftigten rechtsgültig festgestellt ist, wird er als Arbeitnehmer so gestellt, als hätte von Anfang an ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bestanden. In Betrieben mit mehr als 10 Beschäftigten genießen die Betroffenen dann sogar Kündigungsschutz, sofern das Beschäftigungsverhältnis wenigstens sechs Monate bestanden hat.

Sie können sich also über einen festen Job freuen oder das Arbeitsverhältnis kündigen. Die Kündigung ist in jedem Fall eine gute Wahl, wenn Sie nicht nachträglich von der Rentenversicherung zur Kasse gebeten werden wollen.

Den Arbeitnehmeranteil zu den Sozialversicherungen müssen Scheinselbständige maximal für drei Monate nachzahlen, wobei sie sich dieser Pflicht aber ganz einfach dadurch entziehen können, dass sie das Beschäftigungsverhältnis fristlos kündigen. Warum das so ist, erklären wir gleich noch.

Wie sieht es mit der Lohnsteuer aus?

Für die Lohnsteuerrückstände muss der neue Arbeitnehmer zwar einstehen. Sofern die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit aber ordnungsmäßig versteuert worden sind, drohen hier in aller Regel keine exorbitanten Nachzahlungen. Schwieriger wird es allerding, wenn Sie als Ex-Unternehmer Umsatzsteuer erhoben und abgeführt haben. Die Rückabwicklung gestaltet sich dann schwierig, die finanzielle Last trifft aber in erster Linie den zum Arbeitgeber mutierten früheren Auftraggeber.

Selbständige, die sich in der potentiellen Arbeitnehmerposition befinden, können einem unleidigen Auftraggeber also ruhig mit einem Statusfeststellungsverfahren drohen. Selber haben sie nichts zu befürchten. Beim Auftraggeber sieht es da schon ganz anders aus!

Teuer und illegal für den Auftraggeber

Unternehmer, die mit anderen Selbständigen auf eine Art und Weise kooperieren, wie das auch bei einem Arbeitnehmern (im Home-Office) der Fall sein könnte, kann diese Form der Zusammenarbeit das schnell gefährlich werden.

Denn sowohl die finanziellen, als auch die strafrechtlichen Konsequenzen treffen in dieser Konstellation vor allem denjenigen der beiden Selbständigen, dem die Arbeitgeberrolle zukommt, also den Auftraggeber. Das gilt auch bei Subunternehmerverhältnissen.

Sozialabgabennachzahlungen können Existenz gefährden

Die Sozialabgaben für einen ehemaligen Scheinselbständigen müssen Sie rückwirkend, von Beginn des Beschäftigungsverhältnisses an, bis maximal fünf Jahre nachzahlen, es sei denn, die Forderungen sind bereits verjährt.

Die Ansprüche der Sozialversicherer, also der Renten,- Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherer, verjähren gemäß § 25 Abs.1 Satz 1 SGB IV nach vier Jahren, beginnend ab dem Ende des Kalenderjahres, ab dem die Beiträge fällig geworden sind. Oft beträgt die Frist also fast fünf Jahre.

Als Arbeitgeber schulden Sie dabei nicht nur Ihren Anteil, sondern auch den des Arbeitnehmers. Gleichzeitig sind Ihre Rückgriffsmöglichkeiten gegenüber Ihrem ehemaligen Geschäftspartner und nunmehr Angestellten stark eingeschränkt.

Besonders nachteilig ist die Regelung, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmeranteil nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend machen kann (§ 28g Satz 2 SGB IV)

Hat der Arbeitnehmer keine Lohnansprüche mehr, weil er das Arbeitsverhältnis bereits gekündigt hat, als erste Zweifel an seinem Status aufkamen, dann scheidet auch eine Regressnahme aus. Die Feststellung der Scheinselbständigkeit kann darüber hinaus eine fristlose Kündigung seitens der Arbeitnehmers rechtfertigen. Sofern kein Tarifvertrag existiert greifen außerdem die kurzen Kündigungsfristen des Bürgerlichen Gesetzbuches.

Der Arbeitnehmer kann sich seinen Zahlungsverpflichtungen also selbst dann noch sehr leicht entziehen, wenn er das Ende der Statusprüfung gelassen abwartet.

Das gilt umso mehr, als die Arbeitnehmerbeiträge nur von den unmittelbar auf das Bekanntwerden der Ansprüche folgenden drei Lohn- oder Gehaltszahlungen in Abzug gebracht werden dürfen (§ 28g Satz 3 SGB IV).

Ihre Chancen, zumindest einen Teil der Zahlungen auf Ihren neuen Arbeitnehmer zu überwälzen, sind also nicht gerade groß.

Geringes Risiko bei Umsätzen bis 400 Euro

Weit weniger dramatisch sind die Folgen, wenn die Umsätze pro Monat 400 Euro nicht überschritten haben. Dann liegt ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis vor. Das hat zwar auch die Nachzahlung der Pauschalbeträge zur Folge, diese fallen aber deutlich geringer aus.

Strafrechtliche Folgen

Scheinselbständigkeit ist für den Arbeitgeber aber auch noch aus einem anderen Grund sehr viel gefährlicher, als für den Arbeitnehmer. Früher haben sich die Sozialversicherer damit begnügt, die Beitragsrückstände einzutreiben und waren dabei nicht zimperlich. Seit ein paar Jahren gehen die Einzugsstellen aber nun verstärkt dazu über, den Zoll zu informieren oder direkt selbst Strafanzeige wegen Verstoß gegen § 266a StGB zu erstatten.

Diese Norm sanktioniert die Unterdrückung von Sozialabgaben und die Fehlinformation der Sozialversicherer. Dabei handelt es sich zwar um Vorsatztatbestände, die billigende Inkaufnahme der Nichtabführung der Beiträge genügt jedoch, um diese Voraussetzung zu erfüllen.

Betroffenen sollten in dieser Situation unbedingt einen Rechtsbeistand zuziehen, da die Grenze zwischen bewusster Fahrlässigkeit und Eventualvorsatz äußerst eng ist, reine Fahrlässigkeit aber ohne strafrechtliche Folgen bleibt.

Gewerbeerlaubnis in Gefahr

Das ist insbesondere für Unternehmer, die einer Kammer angehören oder einem erlaubnispflichtigen Gewerbe nachgehen, von großer Bedeutung. Erstere müssen bei einer Verurteilung mit einem Standesverfahren rechnen. Letztere laufen Gefahr, dass ihnen die zuständige Bewilligungsbehörde die Zuverlässigkeit abspricht und die Gewerbeerlaubnis widerruft oder zumindest einschränkt, was ebenfalls existenzgefährdend sein kann.

Rechtzeitig ein Statusfeststellungsverfahren einleiten

Unternehmer, die planen, längerfristig mit Freelancern zu kooperieren, insbesondere auf eine Art und Weise, wie dies auch mit Angestellten möglich wäre, sollten deshalb rechtzeitig die Notbremse ziehen und innerhalb vier Wochen ein Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund einleiten.

Das können Sie entweder selbst erledigen oder an Ihre Steuerberaterin oder Ihren Rechtsanwalt delegieren.

Bild: Bigstockphoto.com / gstockstudio

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